Event
Erfolgreicher Jahres-Auftakt im Kleinen Kino
Mehr als 200 Filmfreunde wollten am vergangenen Freitag den Dokumentarfilm FAMILIE BRASCH von Annekatrin Hendel sehen. Und viele kamen vielleicht auch, weil drei Gäste angekündigt waren: Annekatrin Hendel hatte zwei Protagonistinnen ihres Films mitgebracht – Marion Brasch und Bettina Wegner. Marion Brasch (Jahrgang 1961) ist das jüngste und einzige noch lebende Mitglied der Familie Brasch, das die letzten Jahrzehnte der DDR miterlebt hat. Aus ihrer Sicht und der vieler Freunde und Weggefährten der drei Brasch-Brüder erzählt der Film seine Geschichte. Diese wurde dann im Filmgespräch vertieft, wobei es vor allem um die Hauptpersonen Horst Brasch und den ältesten Sohn Thomas ging. Der überzeugte Kommunist Horst Brasch, der 1946 in die Sowjetische Besatzungszone kam, um dort sein Ideal einer sozialistischen Gesellschaft zu verwirklichen, ist eine tragische Gestalt. Alle seine Söhne rebellierten gegen den Vater und den von ihm konsequent vertretenen real existierenden Sozialismus. Es gab keine Gespräche und keine Versöhnung, die Partei und seine politische Mission waren dem Vater stets wichtiger als die Familie. Daran verzweifelten die Söhne, besonders Thomas. Thomas Brasch – Dichter, Übersetzer, Regisseur – ist wohl der begabteste der drei Brüder. Für ein Hörspiel erhielt er den Kleist-Preis. Sehr zu Recht, denn er ist ein Geistes- und Seelenverwandter Kleists. Einer, „dem auf Erden nicht zu helfen war“ (Kleist). Aber er faszinierte auch die Frauen, zu denen Bettina Wegner gehörte. Ihre unnachahmliche schnoddrig-witzige Art tat dem ernsten Gesprächsthema sehr gut. Der Film „Familie Brasch“ und auch Marion Braschs 2012 erschienenes Buch „Ab jetzt ist Ruhe – Roman meiner fabelhaften Familie“ sind wichtige Beiträge für eine komplexe, differenzierte Sicht auf die DDR, jenseits schematischer „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ oder der „ Stasi-Vergangenheit“. Dafür dankte das Publikum den Gästen mit herzlichem Applaus. Annekatrin Hendel verabschiedete sich mit dem Hinweis auf ihren nächsten Dokumentarfilm "Schönheit und Vergänglichkeit", der bei der Berlinale seine Premiere erleben wird.
Brigitte Kabel